Kohlfahrt & Boßeln

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Die Tradition im Norden

Wenn es um alte Traditionen der Bremer und Niedersachsen geht, dann kommt man an den Kohlfahrten nicht vorbei. Sobald es die ersten frostigen Nächte gibt, begeben sich Menschen aus Norddeutschland auf Wanderschaft. Sie schnappen sich einen Bollerwagen und befüllen diesen mit Hochprozentigem und allerlei Spielutensilien.

Unterwegs wird dann angehalten, und man widmet sich gerne dem Boßeln oder anderen Gruppenspielen. Ziel des Ausflugs ist immer ein traditioneller Gasthof, in dem dann Grünkohl mit Kassler und Pinkel[1] den Gaumen verwöhnen. Wir nehmen die Tradition näher unter die Lupe.

OLDENBURG GILT ALS DAS MEKKA DER KOHLFAHRTEN

Bereits seit mehr als 150 Jahren gibt es Kohlfahrten. Angefangen hat damals alles in der Stadt Oldenburg. Seither hat sich nicht viel verändert, außer dass mittlerweile auch viele junge Leute aus den norddeutschen Großstädten durch die Lande ziehen. Früher waren es ausschließlich Vereine oder Gruppen, die sich regelmäßig zum Stammtisch trafen.
Im Prinzip geht es eigentlich um das Wandern, denn in der Epoche der Romantik hatte dies eine ganz besondere Bedeutung. Zum einen wollten die Menschen damals mit anderen Leuten in Kontakt kommen und das Umfeld kennenlernen. Außerdem wollten sie einfach mal aus den eigenen vier Wänden rauskommen und die Natur genießen.

Zu dieser Zeit gab es auch die sogenannten Turnfahrten, bei welchen während der Wanderung noch Leibesübungen durchgeführt wurden. Begründer dieser Tradition war der berühmte Turnvater Jahn im Jahr 1846. Eines Tages begab sich der Oldenburger Turnerbund im Winter auf eine solche Tour und organisierte im Anschluss daran ein Kohlessen.

Wenn man die Vereinschroniken durchblättert, dann hat die erste offizielle Kohlfahrt im Jahr 1871 stattgefunden. Die meisten Kohlfahrten finden zwischen Januar und März statt, der Gründonnerstag markiert das Ende der Saison.

DAS KULTURELLE HIGHLIGHT DES JAHRES IM HOHEN NORDEN

Die Rheinländer feiern den Karneval, dafür lieben die Oldenburger ihre Kohlfahrten. Rund um Oldenburg zelebrieren die Menschen die Kohlfahrt als gesellschaftlichen Höhepunkt in der kalten Jahreszeit. In kleineren oder größeren Gruppen streifen Leute ganz unterschiedlichen Alters durch die Gegend, wobei am Ende leckerer Grünkohl auf die Ausflügler wartet. Viel braucht es auf einer Kohlfahrt nicht, denn alle Getränke passen gut in einen Bollerwagen.
Manchmal erinnert die Kohlfahrt regelrecht an einen Kindergeburtstag, denn Spiel und Spaß kommen keineswegs zu kurz. Die Pausen werden normalerweise für diverse Spieleklassiker genutzt, die schon die ganz Kleinen lieben. Besonders populär sind darüber hinaus auch verschiedene Wurfspiele, wozu traditionell auch das Boßeln gehört.

Die Utensilien, die dabei zum Einsatz kommen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Viele Gegenstände werden kurzerhand zweckentfremdet, wie beispielsweise Schuhe. Die Landgasthäuser im Umland sind gut auf die Kohlfahrten eingestellt, und nicht selten wird das Grünkohlessen sogar von Live-Musik begleitet. Bei diesem Anlass wird dann auch das Kohlkönigpaar gekürt, welches dann die Kohlfahrt im kommenden Jahr organisieren muss.

KOHLFAHRTEN WERDEN AUCH AUSSERHALB NORDDEUTSCHLANDS POPULÄRER

Kohlfahrten dürften den meisten Deutschen gar kein Begriff sein. In der Regel sind diese nämlich nur im Nordwesten von Niedersachsen verbreitet. Dazu zählen neben Ostfriesland noch das Gebiet östlich von den Städten Bremen und Bremerhaven, ein Teil des Südoldenburger Landes sowie das Ammerland. Wie eine solche Kohlfahrt genau abläuft, das kann von Region zu Region etwas variieren.

Wahrscheinlich spielt auch die Konfession eine wichtige Rolle, denn Kohlfahrten unternimmt man ausschließlich in den protestantisch geprägten Gegenden Norddeutschlands. In der heutigen Zeit finden Kohlfahrten aber auch zunehmend außerhalb des eigentlichen Verbreitungsraums statt. Das hat in erster Linie damit zu tun, dass Zugezogene diese Tradition mit in ihre neue Heimat bringen.

BESONDERHEITEN DER ALLJÄHRLICHEN KOHLFAHRTEN

Wie der Ablauf der Kohlfahrt im einzelnen ist, das hängt auch maßgeblich davon ab, wie groß die Gruppe ist. Je mehr daran teilnehmen, desto spaßiger ist es meistens auch. Ein weiteres Kriterium ist der Altersdurchschnitt, denn die Aktivitäten werden häufig daran angepasst. Schließlich können auch noch die Interessen der Teilnehmer mit in die Gestaltung einfließen.

Grundsätzlich haben alle einen Bezug zueinander, sei es in Form eines Vereins oder einer Firma. Häufig machen sich auch einfach Familien oder Freunde gemeinsam auf den Weg. Während es manchmal lediglich vier Personen sind, können es aber auch riesige Gruppen mit bis zu 100 Leuten sein. In der Regel finden die Kohlfahrten immer an einem Wochenende statt.

Unter Umständen landen mehrere Gruppen am Ende in einer Gaststätte und lassen den Tag zusammen bei leckerem Grünkohl ausklingen. Eventuell wird ein Lokal gewählt, das sich etwas weiter entfernt befindet. Ist ein Fußmarsch zu lange, kann eine Kohlfahrt durchaus auch Strecken mit dem Bus oder dem Zug beinhalten. Schnapsgläser werden an einem Band befestigt, so dass jeder Teilnehmer sein eigenes um den Hals tragen kann. In den Bollerwagen gehört Hochprozentiges genauso wie ein paar kleine Snacks für unterwegs. Schließlich ist man normalerweise mehrere Stunden auf Tour, bevor man in die Gaststätte einkehrt.

Doch warum wird dort eigentlich ausschließlich Grünkohl gegessen? Grünkohl ist nicht nur ein typisches norddeutsches Gemüse, er war im 19. Jahrhundert auch das einzige Gemüse, welches im Winter geerntet werden konnte. Den Grünkohl im Glas von Kühne kannst du das ganze Jahr aufbewahren!

BOSSELN IST EIN KLASSIKER BEI DER KOHLFAHRT

Es gibt einige traditionelle Spiele, mit denen man sich bei den Kohlfahrten die Zeit vertreibt. Eines davon ist das so genannte Boßeln, dass sich großer Beliebtheit erfreut. Es macht nicht nur jede Menge Spaß, sondern fördert auch das Gemeinsschaftsgefühl und sogar die Gesundheit. Man darf das Boßeln guten Gewissens als ostfriesischen Nationalsport bezeichnen. Normalerweise braucht man dafür eine Kugel aus Holz, Kunststoff oder Gummi, es sind aber auch viele andere Utensilien brauchbar.

Zunächst einmal werden zwei Gruppen gebildet, die aus jeweils vier bis zehn Spielern bestehen. Dann wird eine Strecke festgelegt, die es mit möglichst wenigen Würfen zu überwinden gilt. Die ersten Spieler der beiden Gruppen machen ihren Wurf, der nächste Wurf wird von dieser Stelle aus ausgeführt. Landet die Kugel außerhalb der Strecke, so wird sie im rechten Winkel wieder dorthin zurückgelegt.

Grundsätzlich macht die Mannschaft den nächsten Wurf, die weiter hinten liegt. Da das Boßeln in der freien Natur durchgeführt wird, muss man sich gut überlegen, auf welcher Strecke welche Wurftechnik am ehesten erfolgreich sein könnte. Je nach Gegebenheiten muss der Wurf eher gefühlvoll oder aber kräftig sein. Auch wenn die Teilnehmer ehrgeizig sein mögen, letztendlich geht es nur um den Spaß an der Sache.